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Be: Nennen

agen, was ist. Eigentlich keine große Sache. Dinge beschreiben. Situationen. Zustände. In letzter Zeit stoße ich immer häufiger darüber, dass Leute sagen: Man muss Dinge auch benennen. Sagen, was ist. In einem Fall ganz konkret.

Patrick Figaj
3 min readSep 18, 2019

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ie man es auch dreht und wendet. Rechtsruck ist keine schöne Sache. Es ist ein ziemlich fieser Zustand. Denn gesellschaftlich ist etwas verrutscht. Hass auf alles Fremde, alles was anders ist, wird ausgeprägter. Ich lese von Rissen. Spaltung. Gegensätzen. Hilflosigkeit. Wie stark das aber alles vorhanden ist — schwer zu messen. Wie auch? Sind es Wahlergebnisse? Geht es um Ost/West Zustände? Ist es ein schleichender Prozess? Nachbarschaften, die sich verändern? Populisten, die als Menschenfänger punkten. Parteien, die Dinge zu wenig ernst nehmen? Es gibt zig Möglichkeiten. Und sicher ist wahrscheinlich nur: Es gibt keine einfache, simple Erklärung.

Es gibt aber einen fatalen Fehler, der vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst zu oft gemacht worden ist und noch gemacht wird: Nicht auf den Punkt zu kommen.
Im Journalismus geht es um Objektivität. Wenn man das Handwerk seriös versteht. Darum, möglichst breit alle Seiten zu Wort, zur Meinung, zur Geltung kommen zu lassen. Gegeneinander zu stellen, einen Schritt zurück zu gehen, das gesamte Bild zu betrachten. Um dann zu beschreiben. Möglichst genau. Exakt. Prüfend. Einordnend. Letzteres wird immer schwieriger, aber auch notwendiger zugleich.

inordnen kann nur derjenige, der alle Seiten beleuchtet hat. Der viele Standpunkte kennt. Um dann ein Thema, eine Äußerung, eine Debatte, ein gesellschaftliches Phänomen einordnen zu können. Was auch wieder nur ein Ausschnitt sein kann. Aber das ist ein unlösbares Grundproblem. Jetzt kann man selbstverständlich sagen, einzelne Menschen können nicht objektiv einordnen. Haben immer einen Standpunkt. Soweit richtig. Es wäre auch vermessen, das Gegenteil zu behaupten. Aber es gibt Grenzen. Oder anders gesagt: Es gibt Grundpfeiler unseres demokratischen Zusammenlebens, die man mindestens im Hinterkopf haben kann, um Grenzen zu erkennen.

teht auf. Lese ich. Höre ich von Musikern, Künstlern. Lasst rechtes Gedankengut, Hass, nicht in die Gesellschaft einsickern. Ja — denkst du da. Gleichzeitig frage ich mich: Wenn etwas einsickert, dann muss eine Gesellschaft auch — sagen wir — saugfähig sein. Aufnahmebereit für solches Gedankengut. Für extremere Positionen. Gründe dafür gibt es sicher viele: Banale. Angst vor Veränderungen zum Beispiel. Frust. Denkzettel ist dann das Wort der Stunde. Den Verantwortlichen zeigen, was sie nicht im Griff haben. Sich von der Politik abwenden.

An diesem Punkt setzen Rechtspopulisten an. Nutzen gesellschaftliche Schwächen für ihre Zwecke. Über die journalistisch schon viel berichtet worden ist. Drängender wird aber die Frage, wie geht man mit offenen Rechtsextremen um, auch wenn sie von sich selbst behaupten, genau das gar nicht zu sein?

ie Antwort darauf kann nur sein: Benennen.

Und zwar direkter, klarer, offener, als bisher. Objektivität ist dann falsch verstanden, wenn offen menschenverachtend, hasserfüllt, jenseits der Grundpfeiler unseres demokratischen Gemeinwohls argumentiert wird. Dann hilft abwägen nicht, um einordnen zu können.

Nicht falsch verstehen. Journalisten müssen fair bleiben. Das hat aber nichts damit zu tun, am Ende dennoch zu benennen, wenn etwas offen radikal ist. Monitor-Moderator und WDR-Journalist Georg Restle hat recht, wenn er schreibt, wir dürfen der AfD keine Bühne bieten. Denn die nutzt die Partei seit frühen Tagen medienstrategisch gekonnt aus. Interviews, wie die des ZDF mit dem AfD-Politiker Björn Höcke zeigen, wie schmal der Grat geworden ist. Konfrontation führt zu klarerem Vertsändnis führt zu Skandalsierung führt zu Aufmerksamkeit. Allerdings insgesamt.

ch war selsbt auf vielen AfD-Veranstaltungen, Demos, Kundgebungen. Wahlkämpfen. Man kann dort arbeiten. Keine Frage, aber in den vergangenen Jahren hat sich der Ton vor Ort auch verschärft. Und vielleicht, nein sicher, hätte ich das auch noch deutlicher schon in der Berichterstattung vor einigen Jahren betonen können. Wenn purer Hass auf Journalismus trifft. Und Vorurteile befeuert werden.

Zuletzt habe ich eine Veranstaltung der sogenannten WerteUnion verfolgt, einen Auftritt von Ex-Verfassungsschutzchef Hans Georg Maaßen. Und darüber ausführlich getwittert. Auch dort in objektiver, mehr als zuvor aber direkt benennder Form. Denn auf dieser Veranstaltung wurde deutlich: Sprache, Alltagshass, selbstverständlich menschenverachtend und menschenfeindlich zu argumentieren, scheint selbstverständlicher geworden zu sein im rechtspopulistischen Milieu. Weit hinter dem, was in demokratisch offenen Gesellschaften eigentlich Konsens ist. Abseits von fadenscheinigen Political-Correctness-Debatten, die nur ablenken davon, welcher Hass gestreut wird.

Ende bleibt dem beobachtenden, einordnenden, beschreibenden Journalisten bei aller Fairness nur eins: Sagen, was ist. Und Politiker, die dunkelsten Wortschatz nutzen, um politischen Profit daraus zu ziehen, eben als das zu beschreiben, was sie sind: Radikale Brandstifter.

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Patrick Figaj
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Written by Patrick Figaj

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